Friday night on a tuesday
Tina Dico am 4.11.2014 im Theater am Tanzbrunnen in Köln;
im Vorprogramm Teitur
Teitur:
Ziemlich pünktlich um acht betritt Teitur die Bühne. Wir wissen nicht genau, ob er schüchtern ist oder einfach nur seine Musik für sich sprechen lasen will, auf jeden Fall sagt er erst einmal wenig: „Hallo, mein Name ist Teitur und ich bin ein Freund von Tina und ich habe in der Schule Deutsch gelernt”.
Er beginnt am Flügel und ich vergesse leider, die Titel der Songs mitzuschreiben. Die Frau neben mir, die damals schon, als sie das erste Mal Helgi Jónsson auf der Bühne sah, alles um sich herum vergaß, wirkt wieder sehr angetan. Und auch mir gefallen die etwas schrägen Stücke und die wunderbare Stimme sehr gut. Und auch sein Humor, als er etwas mehr auftaut und später an der Akustikgitarre ironisch große „Rock-Intro-Akkorde” vor einen Song stellt und überlegt, ob das nicht zu laut für das feine Ambiente des Theaters am Tanzbrunnen ist. Muss mich wohl mal bei den CDs umsehen.
Gegen Viertel vor neun verlässt er die Bühne und dem Applaus nach zu urteilen hat es auch den anderen gefallen.
Tina:
Um neun kommen Tina, Helgi, Dennis und Marianne auf die Bühne. Ohne Begrüßung beginnen sie mit dem Album-Opener „The Woman Downstairs”:
„I ceremonially undress” sind Tinas erste Worte und wer ihre Konzerte kennt, der weiß, dass dies im übertragenen Sinne immer stimmt. Dass sie immer vollkommen in der Musik aufgeht und ihre Geschichten schutzlos mit ihrem Publikum teilt.
Helgi sitzt am Flügel, Dennis Ahlgren spielt wie schon seit vielen Jahren Gitarre und diesmal manchmal Bass und - neu im Team - Marianne Lewandowski sitzt an ein paar Percussion-Instrumenten und begleitet dazu noch mit Background-Gesang.
Und sie ergänzt ganz wunderbar das erprobte Traum-Duo Tina-Helgi, wie gleich das nächste Stück „Whispers” zeigt: Die schwebenden Stimmen im Chorus erfüllen die ganze Halle bevor sie vom Rhythmus der Strophen durchbrochen werden. Der Song wirkt härter, rauher als auf der Platte, so wie sie ihn arrangiert und instrumentiert haben. Schön. Sehr, sehr schön.
Überhaupt mag ich das ja an Tina sehr: Sie bleibt nie stehen, ist ständig in Bewegung und verändert sich und auch ihre Musik immer wieder. „Nobodys Man” und „Craftsmanship And Poetry” folgen und klingen wieder frisch und neu; „You Don’t Step Into Love” geht in „Sacre Coeur” über und die kraftvolle Interpretation gibt allen Stücken, egal ob neu, ob alter Hit oder lange-nicht-mehr-gehört einen frischen Anstrich.
Zu „Copenhagen” singen - wie immer - alle mit und es klappt so gut, wie ich es noch nie erlebt habe. Deswegen - kleines Dankeschön an der Stelle - fahre ich so gerne zu Konzerten nach Köln. Das Kölner Publikum ist irgendwie sehr verlässlich ein besonders gutes Publikum.
Ebenfalls wie immer verlassen die anderen Musiker dann die Bühne und Tina plaudert ein bisschen und singt ein paar Songs nur mit ihrer Gitarre. Überhaupt wirkt sie sehr entspannt und für ihre Verhältnisse fast gesprächig. „Open Wide” und „Room With A View” – wie sie sagt einen ihrer persönlichsten Songs – spielt sie so alleine bevor Helgi wieder dazu kommt und die beiden ihr erstes gemeinsames Lied „Walls” beginnen. Natürlich nicht, ohne dass sie noch einmal daran erinnert, dass Musik-Kritiker damals diese beiden wunderbaren Frauenstimmen in dem Duett lobten. Eine Geschichte, die Helgi vermutlich bis an sein Lebensende verfolgen wird.
Zu „The Other Side” kommen auch Marianne und Dennis wieder dazu. Alle bleiben aber vorne im Halbkreis sitzen und mit Helgis Banjo und einem Instrument, das ich leider nicht kenne (eine Mandola, wie ich inzwischen von einer Leserin lernen durfte) in Dennis’ Händen entsteht ein bisschen Lagerfeuer-Stimmung. Auch der reduzierte, aber immer noch rauhe Sound erinnert fast an die Rednex. Wenn sie so gute Songs gehabt hätten.
Helgi erzählt, sie hätten eigentlich auch vorgehabt, ein großes Feuer zu entzünden, aber der Veranstalter hätte irgendwie etwas dagegen gehabt - wie gesagt: Die Stimmung ist wunderbar locker.
Das neue „Old Friends” mit der Vorstellung der Band folgt: „On this side you see Helgi Jónsson and I have kind of a feeling that he will be my oldest friend someday.”
Dann „In Love And War”, „No Time To Sleep” und „Drifting” bevor mit einem grandios intensiven „Count To Ten” der reguläre Teil zu Ende geht.
Für meinen persönlichen Favoriten der neuen Platte „Someone You Love” kommen sie noch einmal auf die Bühne, nachdem das stehende Publikum sie lautstark darum gebeten hat und beschließen dann mit „In The Red” die Show. Schade, dass sofort das Licht angeht, in Bremen war wohl noch eine zweite Zugabe drin. Und überhaupt: Sehr schade, dass es vorbei ist.
Fazit? Wie gesagt: Ich liebe es, dass Tina sich immer wieder verändert, ihren Songs immer wieder neue Kleider schenkt.
Beim Autogramm-Abholen vor ein paar Jahren und auch in dem Interview, das ich letztens mit ihr führen durfte, haben wir uns darüber unterhalten, dass sie immer wieder zwischen den intimen akustischen und den rockigeren Momenten hin- und herpendelt. Und dass sie sich freut, dass mit der Band zur „Whispers”-Tour jetzt beides möglich ist.
Heute war definitiv „Friday-night on a tuesday in Cologne” und die Kleider waren rauher, waren rockig und teils richtig laut. Und ich mag das sehr.
Und auch die Songauswahl, der einige der Hits zum Opfer fielen und länger live nicht gehörten Stücken weichen mussten habe ich eben genau dafür geliebt.
Am Donnerstag werde ich noch das Konzert in Dortmund sehen und schon weil ich das Publikum dort als ein eher zurückhaltendes kenne, bin ich sehr gespannt.
Sorge, dass es langweilig wird, das gleiche Konzert noch einmal zu sehen habe ich jedenfalls keine. (Nachtrag: Auch dazu habe ich etwas geschrieben.)
Setlist:
- The Woman Downstairs
- Whispers
- Nobodys Man
- Craftsmanship And Poetry
- You Don’t Step Into Love
- Sacre Coeur
- Copenhagen
- Open Wide (acc)
- Room With A View (acc)
- Walls (acc)
- The Other Side
- Old Friends
- In Love And War
- No Time To Sleep
- Drifting
- Count To Ten
- Someone You Love (Zugabe)
- In The Red (Zugabe)